Mensch und Umwelt

Vitalparameter von Corona-Patienten jederzeit im Blick

Verschlechtert sich der Zustand eines Corona-Infizierten, ist schnelles Handeln gefragt – etwa eine künstliche Beatmung. Ein neuer Sensorverbund könnte der Ärzteschaft künftig dabei helfen, den Zustand ihrer Patienten stets im Blick zu haben und bei Zustandsverschlechterungen umgehend zu reagieren.

© Fraunhofer FHR / Ralf Brauns
Gehäuse des 24G-MIMORAD Sensors.
Ziel ist ein Monitoringsystem zur Messung von Vitalparametern aus der Distanz
© Shutterstock
Vitalparameter berührungslos erfassen.
© Fraunhofer FHR / Sven Leuchs
Platinenstack bestehend aus analogem Frontend (oben) und digitalem Backend (unten).

Hat sich eine Person mit dem Corona-Virus infiziert, kann es schnell zu kritischen Situationen kommen. Medizinerinnen und Mediziner möchten daher stets wissen: Wie verändert sich der Zustand von infizierten Personen? Besteht Handlungsbedarf, weil etwa ein Lungenflügel nicht mehr richtig belüftet wird? Aufschluss über solche Fragen könnten künftig Sensoren geben, die zehn Fraunhofer-Institute und vier medizinische Partner unter Federführung des Fraunhofer IIS im Projekt M3Infekt entwickelt haben – auch das Fraunhofer FHR war beteiligt. Verschiedene Sensoren sollen die Vitalparameter der Erkrankten überwachen und miteinander kombiniert ein universales Monitoring gewährleisten: Auf diese Weise lassen sich Zustandsveränderungen frühzeitig entdecken und passende Gegenmaßnahmen schnell einleiten. 

Radarsensor misst berührungslos die Vitaldaten

Ein Armband misst Puls und Sauerstoff, eine Weste überprüft das Atemvolumen und stellt fest, ob die Lungenflügel ausreichend belüftet sind, ein Brustgurt erstellt ein fortlaufendes Mini-EKG und ein optisches Kamerasystem ermittelt die Vitalparameter. Dazu kommen Radarsensoren des Fraunhofer FHR: Das Flaggschiff ist ein mehrkanaliger MIMO-Sensor, kurz für »Multiple Input Multiple Output«. In einer Zimmerecke hängend, misst er die Vitalparameter der Personen, die sich im Raum aufhalten – vor allem ihre Atemfrequenz. Für die Zustandsüberwachung einzelner Patienten entwickelten die Forscherinnen und Forscher einen einkanaligen Sensor, der das Portfolio ergänzt. Über die Messungen der Vitalparameter hinaus ermöglichen die Radarsensoren auch ein Tracking der Person im Raum. Um die Ergebnisse noch robuster werden zu lassen und einen Mehrwert zu generieren, werden die Daten der Radarsensoren mit denen der optischen Kamera aus dem Fraunhofer IIS/EAS kombiniert. Wie steht die Person beispielsweise zum Sensor – hat sie den Rücken abgewandt?

Prinzip des MIMO-Sensors

Der MIMO-Radarsensor verfügt insgesamt über acht Sende- und acht Empfangsmodule. Die Signale, die ein Sendemodul ausschickt, werden an den verschiedenen Objekten im Sichtbereich reflektiert – von Bett und Tisch ebenso wie von der erkrankten Person – und von den acht Empfangsmodulen empfangen. Da diese räumlich leicht voneinander getrennt sind, kommen die Signale zu geringfügig anderen Zeiten bei den verschiedenen Modulen an. Durch die Laufzeitunterschiede lassen sich Aussagen darüber treffen, wo im Raum sich ein entsprechendes Objekt befindet. Die acht Sendemodule wiederum dienen dazu, die räumliche Auflösung zu vergrößern. Doch wie lassen sich nun die Vitalparameter der Patienten mit Radar messen? Die Antwort: Über die Bewegung des Brustkorbs beim Atmen. Atmet man ein, hebt sich der Brustkorb um ein bis zwei Zentimeter – ein Hub, der sich in den Messsignalen deutlich erkennen lässt. Selbst der Herzschlag, eine deutlich feinere Bewegung, kann mit den Radarsensoren detektiert werden. Da das Herz mit einer deutlich höheren Frequenz als unserer Atemfrequenz schlägt, lassen sich diese Signale gut voneinander trennen. Um die Vitalparameter verschiedener Personen trennen zu können, müssen diese einen Mindestabstand voneinander haben: Stehen sie mehr als 60 Zentimeter voneinander entfernt, kann das System ihre Vitalparameter voneinander getrennt auflösen – und zwar auch dann, wenn die Personen vom Sensor aus gesehen hintereinanderstehen. Dieser Wert liegt in der Bandbreite des Messsignals begründet: Die Forscherinnen und Forscher setzten bei dem System auf ein freies ISM-Band mit einer Bandbreite von 250 MHz, das die Richtlinien der Bundesnetzagentur erfüllt.

Klinische Studie in Planung

Der MIMO-Sensor besteht hauptsächlich aus zwei Platinen: Einem analogen Teil, dem Frontend, das via einer Hochfrequenzschaltung die Signale erzeugt. Und zweitens dem Backend, in dem das analoge Messsignal per Analog-Digital-Konverter digitalisiert wird, um dann in Form digitaler Messdaten im Auswerterechner vom Algorithmus verarbeitet und in Vitalparameter umgerechnet zu werden. Sowohl das Gehäuse des MIMO-Sensors als auch die Digitalbaugruppe existieren bereits, auch die Algorithmik steht. Das Frontend, also der analoge Teil, ist im Zulauf. In einem weiteren Schritt wollen die Forscherinnen und Forscher erste Testreihen im Fraunhofer FHR durchführen, bevor das System in einer klinischen Studie an externen Probanden evaluiert werden soll.