Produktion

Defekte in glasfaserverstärktem Kunststoff in-line aufspüren

© Fraunhofer FHR/Froehly
Ausgabe nach Dekompositionsverfahren: Faserlage mit Ondulation
© Fraunhofer FHR/Froehly
Ausgabe nach Dekompositionsverfahren : mit unvollständiger Faserlage links
© Fraunhofer FHR / André Froehly
Produktionsumgebung bei Aeroconcept GmbH mit Rotorblattspitze (ca. 1/8 des fertigen Blatts).

Bei der Rotorblatt-Herstellung ist Präzision gefragt: Die einzelnen Glasfasermatten müssen exakt ausgerichtet sein. Mit einem voll-polarimetrischen Radar lassen sich Defekte erstmals automatisch, zerstörungsfrei und im gesamten Volumen entdecken – automatisiert während der Fertigung.


Der Mensch hat keinen Röntgenblick. Doch wäre es mitunter praktisch, in Dinge hineinschauen zu können: Etwa im Bereich der Fertigung von Rotorblättern, die aus glasfaserverstärkten Kunststoffen bestehen und in Windkraftanlagen eingesetzt werden. Dabei werden verschiedene Glasfasermatten übereinandergelegt, unter Vakuum gesetzt und mit Harz verklebt. Unterlaufen beim Positionieren der Glasfasermatten jedoch Fehler, sind etwa Wellen in einer Matte oder die Fasern falsch ausgerichtet, kann dies die mechanischen Eigenschaften des gefertigten Bauteils negativ beeinflussen. Nun lassen sich solche Defekte mit dem bloßen Auge jedoch nicht sehen, insbesondere dann nicht, wenn sich weitere Glasfasermatten darüber stapeln und das Ganze vakuumiert und auf engstem Raum zusammengepresst wird. Einzige Prüfmöglichkeit ist derzeit die manuelle Prüfung, wobei Defekte, wenn überhaupt stets nur in der oberen Schicht erkannt werden.
 
Was dem menschlichen Sehvermögen verschlossen bleibt, kann jedoch ein voll-polarimetrisches Radar erkennen: Es spürt Defekte bereits während der Fertigung auf, zerstörungsfrei und automatisiert, über alle Schichten hinweg. Entwickelt wurde es von Forschenden des Fraunhofer FHR im NRW-Leitmarkt-Projekt Fiberradar, gemeinsam mit der Aeroconcept GmbH, der Ruhr Universität Bochum und der Fachhochschule Aachen. Das Radar verfügt insgesamt über vier Kanäle, zwei zum Senden und zwei zum Empfangen – statt wie üblich nur über einen. Es stehen also vier mögliche Kombinationen zur Verfügung, um dem Rotorblatt Informationen zu entlocken.  


Erste erfolgreiche Messungen


Ein Demonstrator konnte bereits zeigen, was das System leisten kann – und zwar auch in einer Produktionsumgebung. Dazu montierten die Forschenden auf einer mobilen Plattform einen Roboterarm, der wiederum das Radargerät hält. Dieser Aufbau scannte die gesamte Blattspitze, ein Achtel eines Rotorblatts, und ließ auf diese Weise die Faserstruktur des Glasfaserverbundstoffes sichtbar werden. Während die Hardware-Komponenten von den Partnern entwickelt wurden, steuerte das Fraunhofer FHR seine Kompetenzen im Bereich der Algorithmen bei, die für die Auswertung benötigt werden. So gelang es den Forschenden etwa die Bildqualität signifikant zu erhöhen, indem sie einerseits bestehende Algorithmen aus der polarimetrischen Bildgebung auf Faserverbundstoffe anpassten und andererseits neue Algorithmen zur Behandlung hoch brechender Materialien speziell für diese Anwendung entwickelten.


Für die Testmessungen brachte die Aeroconcept GmbH gezielt Defekte in die Flügelspitze ein, die bei der Produktion verstärkt auftreten: Winkelfehler, bei denen die Fasern in einer Schicht falsch orientiert sind. Ondulationen, bei denen nicht sichtbare Wellen in den Lagen auftreten. Halbe Längen, bei denen die Faserlage mitten in einer Schicht aufhört. All diese Fehler konnte das System zuverlässig abbilden. Zwei der insgesamt vier Kanäle, die Kreuzpolarisationen, punkteten bei der Detektion von Ondulationen und halben Längen. Indem die Forschenden die Kanäle kombinieren, können sie dem Nutzer die Ergebnisse in einer einheitlichen Übersicht ausgeben. Die halben Längen konnten insbesondere dann sehr gut erkannt werden, wenn sich die Faserrichtung änderte, aber bei gleicher Richtung lieferte die Methode sehr gute Ergebnisse. Auch die Winkelfehler spürte das System bestens auf: Fehler von 10 und 20 Grad konnten auch in tiefen Schichten deutlich erkannt werden – obwohl die Defekte von mehreren Lagen verdeckt wurden. Über Radar konnten somit erstmalig Defekte während des Herstellungsprozesses detektiert werden.

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Defekte Faserlage mit Ondulation.