Verteidigung

»Um-die-Ecke«-Radar: Indirekte Lokalisierung von Objekten

Häuser sind für Radarsignale undurchsichtig, da das Signal an den Wänden reflektiert wird. Nutzt man jedoch Mehrwege-Signale – die nicht auf direktem Weg, sondern durch mehrmalige Reflektionen zum Detektor zurückgelangen – kann man damit quasi um die Ecke schauen. Auf diese Weise lassen sich zusätzliche Informationen erhalten, die sonst per Radar nicht erhoben werden könnten.

© Fraunhofer FHR / Uwe Bellhäuser
Mithilfe eines MIMO-Radars können auch nicht direkt reflektierte Radarsignale ausgewertet werden und Zusatzinformationen liefern.
© Fraunhofer FHR / Oliver Biallawons
Mikrodopplersignatur einer gehenden Person von der direkten (grün) und der indirekten Reflexion (rot). Über den indirekten Pfad wird die Person noch beleuchtet, wenn sie schon am Radar vorbeigegangen ist.

Hauswände sind für Radarsysteme wie Spiegel: Sie reflektieren das ausgesendete Signal zurück, ein Blick hinter die Gebäude ist nicht möglich. Bei starker Urbanisierung, sprich in Städten, wird das Signal also schnell durch Hauswände abgeschattet: Man kann nicht viel sehen. Ebenso bei bestimmten Objektformen: Sie werfen das Echo nicht in die Richtung des ursprünglichen Signals zurück, sondern in eine andere – und sind für das Radar somit unsichtbar. Wie lassen sich verdeckte Objekte dennoch per Radar aufspüren? Und kann eine solche Technologie auch nützlich sein, um den Informationsgehalt der Messungen von direkt sichtbaren Objekten zu erhöhen?

Via Mehrwege-Signalen zu mehr Information

Das Fraunhofer FHR geht hierzu neue Wege: Die Nutzung von Mehrwege-Signalen – also Signalen, die nicht vom Objekt direkt, sondern vom Objekt und weiteren Oberflächen zurückreflektiert werden. Bisher versucht man diese auszuschalten, da sie Störungen im Signal verursachen können. Doch kann man sie sich auch zunutze machen. Der Ansatz: Verwendet man mehrere Sendeantennen und mehrere Empfangsantennen – also Antennenarrays – und werden die Signale etwa in einer Häuserschlucht immer wieder im Zickzack an den Hauswänden reflektiert, könnte man damit »um die Ecke« schauen. Die Herausforderung dabei: Man muss anhand der empfangenen Signale erkennen können, ob diese auf direktem Weg reflektiert wurden oder über einen anderen Weg zur Empfangsantenne zurückgelangt sind.

Das Fraunhofer FHR nutzt ein Multiple-Input-Multiple-Output-Radar, kurz MIMO. Bei diesem senden die einzelnen Antennen unterschiedliche Sendesignale, auf diese Weise lassen sich die Echos den jeweiligen Sendeantennen zuordnen. Das System empfängt dabei in einer anderen Richtung, als es sendet – somit lassen sich die direkten Signale ausschalten. Jede Antenne schickt ein Signal aus, das einen sehr großen Bereich beleuchtet, auch die Empfangsantennen empfangen ein Echo aus unterschiedlichen Richtungen. Erst im Nachgang wird im Rechner eingestellt, in welche Richtung die jeweilige Antenne schauen soll. Kurzum: Die Radarkeulen lassen sich im Nachgang digital einstellen. Auf diese Weise kann eine Art Matrix angelegt werden, in der die verschiedenen Richtungen von Sende- und Empfangsantennen gegeneinander aufgetragen sind. Das Ergebnis ist hochdimensional: Vielfach hat es bis zu fünf Dimensionen. Aus diesen lassen sich je nach Wunsch zweidimensionale Bilder herausschneiden. Beispiele für diese Dimensionen sind etwa die Senderichtung, die Entfernung eines Objekts oder die Laufzeit des Signals. Direkte Signale, bei denen Hin- und Rückweg durch die Häuserschlucht identisch sind, werden bisher noch nicht erkannt. Interessant könnten hier polarimetrische Signale sein – mit diesen könnte sich langfristig erkennen lassen, ob das Signal eine gerade oder eine ungerade Zahl an Reflektionen hinter sich hat. Die gesamte Entwicklung der Technologie lag beim Fraunhofer FHR, von der Hardware bis zur Signalverarbeitung. Dabei galt es sowohl Fragen der Antennenanordnung und des Arraysdesigns als auch solche zur Datenprozessierung zu beantworten. Welche Möglichkeiten gibt es beispielsweise, um die Signale zu trennen?

Proof-of-Concept erfolgreich durchgeführt

Erste Messungen wurden bereits erfolgreich durchgeführt: Als Reflektionsflächen kamen zwei Whiteboards zum Einsatz. Das Signal wurde vom ersten Whiteboard zum zweiten reflektiert und von dort zurück zur Empfangsantenne. In einem weiteren Versuch wurde eines der Whiteboards durch eine Person ersetzt. Verglichen wurden die Signale, die von der Person direkt reflektiert wurden und diejenigen, die vom Menschen über das Whiteboard zurück zur Empfangsantenne gelangten. Die Signale konnten erfolgreich voneinander getrennt werden. In einem nächsten Schritt stehen Experimente mit verdeckten Objekten an. Interessant ist das System vor allem für die Klassifikation von Objekten: Je mehr Informationen dafür zur Verfügung stehen, desto besser kann eine solche Klassifizierung gelingen.