Weltraum

Müllabfuhr für den Orbit

Generisches Bild einer H-2A Raketenoberstufe. Eine ähnliche Oberstufe soll im Zuge einer ADR Mission (Active Debris Removal) aus der Erdumlaufbahn entfernt werden.
Radarbild einer Oberstufe mit eingeblendetem vereinfachten Modell.

Der Weltraumschrott nimmt stetig größere Ausmaße an. Die Japan Aerospace Exploration Agency JAXA möchte den Weltraummüll daher aktiv reduzieren und einige ihrer Raketenoberstufen aus dem Orbit entfernen. Das Fraunhofer FHR unterstützte mit dem Zielverfolgungs- und Abbildungsradar TIRA bei der Auswahl der möglichen Objekte.  


Raketenoberstufen, die herrenlos durch den Orbit schwirren, haben ein großes Gefährdungspotenzial: Schließlich können sie explodieren, sei es durch enthaltenen Resttreibstoff, sei es durch Batterien. Nun könnte man meinen, eine Explosion im Orbit sei nicht weiter schlimm – schließlich ist niemand da, der sich daran stören könnte. Weit gefehlt: Eine Explosion lässt aus einem großen Trümmerteil zehntausende kleiner Trümmerteile entstehen. Trümmerteile, die zu gefährlichen Geschossen werden und Satelliten und Co. bei einer Kollision schlimmstenfalls zerstören können.  


Raketenoberstufen aus dem Orbit entfernen


Die Japan Aerospace Exploration Agency JAXA möchte ihre Raketenoberstufen daher aus dem Orbit beseitigen. Dass die hierfür notwendigen Rendezvous-Manöver machbar sind, soll die Demonstrationsmission ADRAS-J im Rahmen des CRD2 Projektes zeigen, die von Astroscale bis 2024 durchgeführt werden soll. Eine Vorauswahl potenzieller Kandidaten hat die JAXA bereits getroffen. Noch stand die Entscheidung aus, welche Oberstufe genau bei der Mission angesteuert werden soll. Simulationen der japanischen Agentur zeigten zudem, dass sich Raketenoberstufen, die sich längere Zeit im Einflussbereich des Erdgravitationsfeldes befinden, mit ihrer Längsachse entlang dieses Feldes ausrichten, sie zeigen also mit der »Nasenspitze« stets zur Erdoberfläche.  


Abbildungsradar TIRA bestätigte die Simulationsergebnisse der JAXA


Kann das Fraunhofer FHR diese Simulationsergebnisse bestätigen oder aber widerlegen – und somit dabei helfen, einen geeigneten Kandidaten für die »Müllabfuhr« zu ermitteln? Mit dieser Frage kamen Mitarbeitende der JAXA auf das Institut zu. In einer Machbarkeitsstudie Ende 2021 bildete das Fraunhofer-Team eine ausgewählte Oberstufe mit TIRA ab und bestimmte anhand der Bildanalysen deren Rotation. Wie schnell dreht sich die Oberstufe? Um welche Achse? Und wie ist diese Achse im Raum ausgerichtet? Die Simulationsergebnisse wurden bestätigt: Die Nasenspitze der Oberstufe zeigte zur Erde. Ebenso wie fast alle anderen Raketenoberstufen, die in einer Nachfolgeuntersuchung im Frühjahr 2022 analysiert wurden. Lediglich eine einzige fiel aus dem Rahmen. Diese zeigte eine langsame Taumelbewegung mit 0,1 Grad pro Sekunde. Die Forschenden sowie die JAXA vermuteten, dass sich diese Oberstufe noch in einer Übergangsphase befand. Denn nachdem eine Oberstufe ihre Nutzlast ausgesetzt und ihren Kurs leicht geändert hat, fliegt sie zunächst unkontrolliert durch den Weltraum, wobei sie sich beliebig drehen kann. Erst langfristig führen verschiedene Kräfte dazu, dass sich die Raketenoberstufe entlang des Erdgravitationsfeldes ausrichtet. Während das Objekt vom Erdgravitationsfeld »eingefangen« wird, kommt es zur beobachteten Taumelbewegung. Laut der JAXA spricht vieles dafür, dass sich die Raketenoberstufe in diesem Prozess befand – denn auch die Drehachse, die die Forschenden des Fraunhofer FHR ermittelten, änderte sich im Laufe der Zeit. Dies fanden die Forschenden heraus, da sie pro Oberstufe sechs Messungen durchführten, jeweils im Abstand von etwa einer Woche.


Rotationssymmetrie der Objekte barg Herausforderungen


Die Untersuchungen mit dem TIRA-Abbildungsradar warteten durchaus mit Herausforderungen auf. Eine davon lag in der Rotationssymmetrie der Oberstufen – was bei den angewandten Verfahren, insbesondere der Drehachsenbestimmung, problematisch ist. Denn es gilt, einzelne Objektpunkte anhand einer Bildserie im Laufe der Zeit immer wiederzufinden und diese eindeutig zuordnen zu können, was sich bei einer runden Geometrie wie einem Zylinder sehr schwierig gestaltet. Mit verschiedenen Methoden und der Unterstützung der JAXA, die zu jeder Oberstufe detaillierte Informationen lieferte, konnte das Team diese Herausforderung meistern. Kurzum: Die Untersuchungen mit dem Abbildungsradar TIRA dienen der JAXA dazu, gezielt Kandidaten auszusuchen, bei denen eine Müllbeseitigung erfolgreich sein dürfte.