Weltraum

GESTRA-Meilensteine 2020

© DLR / Evi Blink
© Fraunhofer FHR / Jens Fiege
© DLR / Evi Blink

Transport nach Koblenz

Im Jahr 2020 absolvierte das vom Fraunhofer FHR im Auftrag der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR entwickelte Weltraumüberwachungsradar GESTRA (German Experimental Space Surveillance and Tracking Radar) große Schritte. Am neuen Standort Koblenz befindet es sich nun in der Abschlussintegration.

7 Tage, 100 Tonnen, 200 Kilometer: eine logistische Meisterleistung

Am Morgen des 25. Juni 2020 begann auf dem Campus des Fraunhofer FHR in Wachtberg ein perfekt geplantes Vorhaben, wie es das Institut noch nicht gesehen hatte: Das Verladen und der Transport des GESTRA Systems zum finalen Standort auf der Koblenzer Schmidtenhöhe. Die beiden fast 100 Tonnen schweren 4m x 4m x 18m großen Container mit dem Sende- und dem Empfangsmodul sowie die beiden Radome mit 5m Durchmesser, 4,50m Höhe und je 600kg Gewicht waren bereit  für den Transport. Nach einem Tag reiner Vorbereitungszeit wurden in den folgenden zwei Tagen in perfekt abgestimmter Teamarbeit der Mitarbeitenden des Fraunhofer FHR und der Logistikfirma die Container und Radome auf die Anhänger verladen. Dazu waren zwei Kräne mit 350t bzw. 500t maximaler Hublast nötig, die nur gemeinsam im Tandemhub das große Gewicht der Radarsysteme vom Boden auf zwei 13-achsige Anhänger heben konnten. Am 29. Juni 2020 um 22 Uhr ging es pünktlich für den Schwertransport »on the road«. Neben vielen Fahrzeugen zur Absicherung wurde der Konvoi auch von mehreren Polizeifahrzeugen begleitet. Da die verladenen Container inklusive Anhänger deutlich höher als 4,50m waren, musste die gesamte Strecke fast ausschließlich über Landstraßen durchgeführt werden - einige Autobahnbrücken auf der A3 wären zu niedrig gewesen. Mitten in der Nacht, gegen 1:30 Uhr, wurde der Rhein über die Bonner Südbrücke passiert. Danach ging es in den Westerwald. Die zweite Etappe in der folgenden Nacht führte schließlich über eine Gesamtstrecke von etwa 200 Kilometern ans Ziel. Dort wurde GESTRA bereits von Vertretern der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR, der Bundeswehr und des Fraunhofer FHR sowie zahlreichen Medienvertretern erwartet. Die beiden Schwerlastkräne standen schon bereit, so dass beide Container und die Radome unter den Augen der Zuschauer noch am gleichen Tag am Zielort aufgebaut werden konnten. 

Forschung & Wissenschaft, Verteidigung und Politik: Großer Festakt zur GESTRA-Einweihung

Am 13. Oktober 2020 wurde GESTRA offiziell eingeweiht und an das deutsche Weltraumlagezentrum übergeben. Hochkarätige Vertreter des DLR, der Fraunhofer-Gesellschaft und aus Verteidigung und Politik waren vor Ort. Im Rahmen eines feierlichen Festakts auf der Schmidtenhöhe würdigten die Redner die Bedeutung von GESTRA für Deutschland und Europa und die Leistung der Projektbeteiligten bei der Entwicklung dieser Spitzentechnologie. Es sprachen Dr. Walther Pelzer, Vorstand Deutsche Raumfahrtagentur im DLR, Thomas Jarzombek (MdB), Koordinator Luft- und Raumfahrt der Bundesregierung, Prof. Ralf Boris Wehrspohn, Fraunhofer-Vorstand, GenLt Klaus Habersetzer, Kommandeur Zentrum Luftoperationen und Roger Lewentz, Innenminister Rheinland-Pfalz. »Wir zeigen uns hier mit dem Standort Deutschland. Wir sind in der Lage, State of the Art, ganz an der Front der Wissenschaft zu arbeiten«, würdigte Dr. Thomas Eversberg, DLR-Projektleiter-GESTRA, die Forschungs- und Entwicklungsarbeit an dem Weltraumüberwachungsradar.

Nachdem die Redner symbolisch ein Band zur Eröffnung durchschnitten hatten, konnten sich die Gäste und zahlreichen Medienvertreter vor Ort ein Bild von GESTRA machen. »Dieses Radarsystem ist Technologie, die einmalig ist in Europa«, betonte Prof. Dirk Heberling im Rahmen der Veranstaltung und hob auch die besondere Verbundenheit der Kolleginnen und Kollegen am Fraunhofer FHR mit GESTRA hervor. »Ich erinnere mich, als die Container ausgeliefert wurden, haben Mitarbeitende persönlich die Kabel gezogen und die Kabel gegriffen, und das am Wochenende. Das zeigt den Einsatz und die Leidenschaft für dieses Projekt«, so Prof. Heberling.

Die mediale Resonanz auf die Vorstellung des ersten deutschen Weltraumüberwachungsradars war groß, bundesweit berichteten Print, TV, Radio und Social Media. Sogar die Tagesthemen brachten einen Beitrag. Ein spannender Kurzfilm des Fraunhofer FHR fasst die Highlights der GESTRA-Einweihung zusammen. Der Film ist unter https://youtu.be/bT-oIld89Qs abrufbar.

© Fraunhofer FHR / Jens Fiege
© Fraunhofer FHR / Jens Fiege
© Fraunhofer FHR / Jens Fiege
© Fraunhofer FHR / Jens Fiege
© Fraunhofer FHR / Jens Fiege
© Fraunhofer FHR / Carola Welsch
© DLR / Evi Blink
© DLR / Evi Blink
© Fraunhofer FHR / Carola Welsch

3 Fragen an Helmut Wilden

© Fraunhofer FHR / Jens Fiege
Dipl.-Ing. Helmut Wilden, GESTRA-Projektleiter des Fraunhofer FHR

Herr Wilden, über 5 Jahre Entwicklungsarbeit des 34-köpfigen Teams stecken in GESTRA. Was war für Sie die größte Herausforderung in dieser Zeit?

Ausgehend von der Erfahrung zu multifunktionalen Kleinradaren stand man plötzlich vor der Aufgabe, unter den Randbedingungen Teilmobilität, Flexibilität eines digitalen Radars und maximale Sendeleistung einen Wunschkatalog von innovativen Fähigkeiten und Leistungsdaten eines Weltraumüberwachungsradars zusammenzustellen und die innovativsten Technologien zu jedem Subsystem zu konzipieren und anzubieten. Dabei lag eine große Herausforderung in der zeitnahen Akquise von hochspezialisierten Mitarbeitenden, welche zu einem großen Teil durch Betreuung von Abschlussarbeiten mit systemnahen Themen herangezogen wurden. So entstand ein 34-köpfiges Team, welches zusammen mit den Entwicklungsteams der ca. 8 Haupt-Unterauftragnehmern ein äußerst komplexes, multifunktionales System auf Basis eines effektiven Managements konzipierte und umsetzte. Die größte Herausforderung war dabei, alle Systemspezifikationen durch Hardware- Firmware- und Softwareoptimierungen so zu erreichen und umzusetzen, dass rechtzeitig alle notwendigen Systemkomponenten verfügbar sind und gleichzeitig auch durch robuste Konzeptionierung die erwartete Lebensdauer des Systems von 12 Jahren erreicht werden kann.

Was war ihr persönliches Highlight?

Während der 6-jährigen Leitung dieses Teams erfuhr ich mehrere persönliche Highlights. Zum einen erfreute ich mich sehr an dem Einsatz und der Begeisterung der Studenten, sehr gute Ergebnisse der Abschlussarbeiten zu den systemnahen Themen zu erarbeiten. Ein weiteres Highlight war sicherlich der Transport des Systems, dessen Randbedingungen nur durch ein sehr erfahrenes Transportteam bewältigt werden konnten. Die finale Inbetriebnahme und die sukzessiven erfolgreichen Nachweise der erreichten Performance-Ziele bilden natürlich die größte Freude an dieser Entwicklungsstory.

Wie lässt man ein solches Projekt wieder los?

Ich kann zwar dieses Projekt durch meine handwerklichen und musikalischen Hobbies sehr gut loslassen, aber die verschiedenen Umsetzungsalternativen der einzelnen Subsysteme einschließlich Signalverarbeitung werden mich noch lebenslang begleiten und motivieren. Mit diesem Radardemonstrator haben wir zwar eine gute Startperformance erreicht, doch mit noch innovativeren und herausfordernden Technologien müssten bei gleichen Randbedingungen auch die Entdeckungsleistungen gegenüber kleinen Trümmern noch wesentlich zu verbessern sein.