Mobiles Radargerät ortet Lebenszeichen

Schnelle Hilfe für Verschüttete

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Sei es bei Lawinen, sei es bei Erdbeben – Verschüttete müssen schnellstmöglich geborgen werden. Mit einem neuartigen mobilen Radargerät des Fraunhofer-Instituts für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR lassen sich künftig hektargroße Bereiche rasch und gründlich durchsuchen. Der Clou: Die Technologie kombiniert Bewegung und präzise Lebenszeichendetektion.

Die radarbasierte Erfassung der Vitalparameter mehrerer Personen wird in einer Szene mit natürlicher Bewegung am Fraunhofer FHR getestet.
© Patrick Wallrath/Fraunhofer FHR
Die radarbasierte Erfassung der Vitalparameter mehrerer Personen wird in einer Szene mit natürlicher Bewegung am Fraunhofer FHR getestet.

In manchen Regionen bebt die Erde täglich mehrere hundert Mal. Die meisten dieser Beben sind nicht allzu stark, andere jedoch entwickeln eine enorme Zerstörungskraft, bringen Gebäude zum Einsturz und lassen Tsunamis entstehen, die ganze Landstriche verwüsten. Rettungskräfte stehen bei einer solchen Katastrophe vor einer schwierigen Aufgabe: Wo in all den Trümmern befinden sich Verletzte, die dringend Hilfe benötigen? Anhaltspunkte können Radargeräte liefern. Jedoch lassen sich diese bislang nur stationär betreiben. Das System wird an einer Stelle aufgestellt und kann von dort aus – je nach Radar – etwa zwanzig bis dreißig Meter weit schauen. Diese Distanz ist zu gering, wenn es um großflächige Zerstörungen geht.

Eine Technologie des Fraunhofer FHR in Wachtberg kann den Suchradius deutlich vergrößern. »Wir haben ein mobiles Radargerät entwickelt, das Puls und Atmung verschütteter Personen bestimmen und sie auf diese Weise orten kann«, erläutert Dr. Reinhold Herschel, Teamleiter am Fraunhofer FHR. »Langfristig könnte eine Drohne, ausgerüstet mit dem Radargerät, die Unglücksstelle abfliegen. So lassen sich selbst hektargroße Bereiche effektiv und schnell durchsuchen.«

Mehrere Sender und Empfänger ermöglichen verschiedene Blickwinkel

Das dahinterliegende Prinzip: Das Radargerät sendet eine Welle aus, die an den Trümmerteilen zum Teil reflektiert wird, zum Teil durch sie hindurchgeht – und dann beispielsweise vom Verschütteten zurückgestrahlt wird. Über die Zeiten, die das Signal braucht, um wieder am Detektor des Radargeräts anzukommen, lassen sich die Entfernungen berechnen. Bewegt sich ein Objekt – hebt und senkt sich etwa die Haut des Verschütteten bei jedem Pulsschlag um einige hundert Mikrometer –, so ändert sich die Phase des Signals. Ebenso bei den Atembewegungen. Da man nur zehn- bis zwölfmal pro Minute Luft holt, das Herz aber durchschnittlich 60 Mal pro Minute schlägt, lassen sich diese Signaländerungen über Algorithmen gut voneinander trennen. Auch den Ort, an dem sich ein Verschütteter befindet, können die Forscher genau bestimmen. Möglich machen es MIMO-Radare, kurz für Multiple Input Multiple Output, die über mehrere Sender und Empfänger verfügen – es lassen sich also verschiedene »Blickwinkel« realisieren, über die dann die genaue Position bestimmt werden kann, an der die Rettungssanitäter nach dem Überlebenden graben müssen.

Algorithmus erkennt Herzflimmern

Das Besondere an der Technologie: Die Kombination von Bewegung und präziser Lebenszeichendetektion. Die Bewegung kann sich dabei zum einen auf eine Drohne beziehen, die das Unglücksgebiet überfliegt. Das Prinzip lässt sich aber auch umkehren: Stellt man das Gerät an eine feste Stelle, lassen sich die Lebenszeichen von Menschen detektieren, die sich im Umkreis des Geräts bewegen. Sinnvoll kann das etwa bei zahlreichen Verletzten sein, die beispielsweise nach einem Erdbeben in einer Turnhalle erstversorgt werden. Über das Radargerät lassen sich die Lebenszeichen aufzeichnen und den jeweiligen Verletzten zuordnen. Wer braucht die Hilfe am dringendsten? Der Algorithmus schaut dabei vor allem nach Veränderungen: Flimmert das Herz? Atmet der Patient sehr schnell? Die verschiedenen Signale können auseinander gerechnet und getrennt dargestellt werden. Und das mit hoher Genauigkeit: Die Pulsfrequenz beispielsweise misst das Radargerät auf ein Prozent genau, wie der Vergleich mit tragbaren Pulsgeräten ergab. Während bei der Suche nach Verschütteten per Radar noch Forschungsbedarf besteht, hat das Forscherteam bei der Lebenszeichendetektion von sich bewegenden Personen bereits erfolgreich Testläufe mit einem Abstand von bis zu 15 Metern durchgeführt. Der nächste Schritt zum Produkt wäre jetzt eine Verifikations-studie mit einem Partner im medizinischen Bereich. Nach positiver Evaluierung mit ausreichender Datenbasis kann dann zusammen mit interessierten Industriepartnern der Zertifizierungprozess gestartet werden. Die zuverlässige Detektion Verschütteter in schwierigen Fällen wie Erdreich oder Beton sowie die UAV-basierte Messung werden noch etwa zwei Jahre in Anspruch nehmen, bis eine ausreichend hohe Zuverlässigkeit für die Produktentwicklung erreicht ist. Hier ist das Fraunhofer FHR weiterhin forschend engagiert, um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen.