Fraunhofer FHR-Newsletter 06/2025

Schrott aus dem Orbit entfernen

Die Oberstufe 33500 war während der kompletten Kampagne von 2021 bis 2025 stabil ausgerichtet und zeigte keine Rotation um die Längsachse. (Farbige Linien links unten: Zenitrichtung (blau), Flugrichtung (rot), Sonnenrichtung (gelb).
© Fraunhofer FHR
Die Oberstufe 33500 war während der kompletten Kampagne von 2021 bis 2025 stabil ausgerichtet und zeigte keine Rotation um die Längsachse. (Farbige Linien links unten: Zenitrichtung (blau), Flugrichtung (rot), Sonnenrichtung (gelb).

Zahlreiche Schrottteile schwirren durch den erdnahen Weltraum – etwa Raketenoberstufen. Sollen sie aktiv entfernt werden, gilt es vorab zahlreiche Dinge zu klären. Rotiert die Oberstufe oder ist sie stets gleich zur Erde ausgerichtet? Ist sie strukturell intakt? Forschende des Fraunhofer FHR konnten solche Fragen für die japanische Raumfahrtbehörde JAXA mit dem Tracking and Imaging Radar TIRA erfolgreich beantworten.

Sei es bei der Kommunikation, der Navigation oder der Wettervorhersage: Für zahlreiche alltägliche Anwendungen sind wir auf Satelliten angewiesen. Doch blieb bis vor wenigen Jahren oft – und teilweise auch heute noch – mit jedem Erdtrabanten, der ins All befördert wird, eine Raketenoberstufe als Schrott im Weltraum zurück. Wie lassen sich diese großen Raumfahrtrückstände aktiv wieder entfernen? Die japanische Weltraumorganisation JAXA (Japan Aerospace Exploration Agency) holte 2021 das Fraunhofer FHR ins Boot, um die Lage und die Bewegung verschiedener Oberstufen der H-IIA Familie mit Hilfe des Weltraumbeobachtungsradars TIRA zu untersuchen. Der Fokus des Demonstrationsprojekts »Commercial Removal of Debris Demonstration (CRD2)« lag auf der Oberstufe mit der NORAD Nummer »33500«: Wie ist sie ausgerichtet? Rotiert sie in irgendeiner Form? Sind Beschädigungen sichtbar?

TIRA blickt auf Raketenoberstufe »33500«
Vorhergehende Simulationen der JAXA legten nahe, dass sich Raketenstufen in erdnahen und zirkularen Orbits anfangs in zufälliger Weise langsam drehen, nach einer gewissen Zeit jedoch einen stabilen Zustand einnehmen, also beispielsweise mit der Nase oder aber der Antriebsdüse stets zur Erde zeigen. »Was die Oberstufe 33500 angeht, konnten wir dies bestätigen – sie blieb über den gesamten Beobachtungszeitraum von 2021 bis 2025 mit der Nase stets stabil zur Erde ausgerichtet«, resümiert Frank Schlichthaber, Projektleiter am Fraunhofer FHR.

Die Forschenden des Fraunhofer FHR führten dazu Berechnungen durch, basierend auf gemessenen Radardaten und vereinfachten 3D-Modellen mehrerer H-IIA Raketenoberstufen: Wie wäre das Raketenbauteil im Radarbild zu sehen, wenn es stets mit der Nase zur Erde zeigen würde? Rotationen um die Längsachse waren dabei eine besonders große Herausforderung, schließlich sind Oberstufen rotationssymmetrisch. Bei der Oberstufe 33500 jedoch stehen an der Nase seitliche Stützstrukturen ab, an denen der Satellit über einen Adapter befestigt war. Diese Strukturen waren über die gesamte Beobachtungsdauer auf allen Radarbildern gleich ausgerichtet. »Wir konnten nicht nur eine stabile Lage der Längsachse in Zenit-Richtung festgestellt, sondern auch eine Rotation um diese Achse ausschließen«, sagt Schlichthaber.

Untersuchungen per Satellit stützen das Ergebnis
Dieses Ergebnis wird durch die von JAXA und Astroscale Japan durchgeführten Studien bestätigt. Astroscale Japan wurde von der JAXA mit dem Bau und Betrieb des ADRAS-J-Satelliten für Phase I von CRD2 beauftragt. Im Jahr 2024 näherte sich der Satellit der Oberstufe bis auf 15 Meter, umkreiste sie und analysierte ihren Zustand und ihre Bewegungen anhand von Film- und Fotoaufnahmen. Das Resultat deckte sich mit dem von TIRA – zudem zeigte sich, dass die Oberstufe eine leichte Pendelbewegung von bis zu zwei Grad ausführt, die in den Radardaten nicht sichtbar war. Die Forschenden des FHR behielten die Oberstufe auch vor und nach den Manövern von ADRAS-J im Blick, um eine mögliche Änderung der Ausrichtung zu detektieren. Im nächsten Schritt steht nun der Bau eines weiteren Satelliten an, der die Oberstufe packt und in dichtere Atmosphärenschichten absenkt, wo sie stärker abgebremst wird und nach relativ kurzer Zeit verglüht.

Neben der Oberstufe 33500 nahm TIRA auch weitere Objekte der H-IIA Familie ins Visier – mit unterschiedlichen Resultaten.  »Die Oberstufe 27601 war in 2022 auch stabil ausgerichtet, aber 39771 wies zum Beispiel eine deutliche Abweichung von der vertikalen Achse auf, deren Ursache jedoch noch unklar ist.«, sagt Schlichthaber.

Die Zusammenarbeit zwischen dem Fraunhofer FHR und der JAXA war für beide Seiten auch aus wissenschaftlicher Sicht erfolgreich. So konnte die JAXA als Erstautor diese Ergebnisse zusammen mit ihren eigenen Simulationen und den Analysen von Astroscale Japan bei dem 35th AAS/AIAA Space Flight Mechanics Meeting auf Hawaii sowie bei der 9th European Conference on Space Debris der ESA in Bonn veröffentlichen und präsentieren.

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