Intelligenter, robuster, vernetzter: Mit ASTONISH zur nächsten Generation der Luftraumüberwachung
Das EU-Forschungsprojekt ASTONISH entwickelt technologische Alternativen zu klassischen Radar- und Transpondersystemen. Im Mittelpunkt stehen passive Radarsysteme, alternative Kommunikationswege und integrierte Sensorik. Das Fraunhofer FHR bringt dazu seine Expertise insbesondere im Bereich LDACS-basierter Passivradarlösungen ein.
Wie kann eine moderne, resiliente Überwachung des zivilen Luftverkehrs künftig aussehen – auch dann, wenn etablierte Systeme ausfallen oder an ihre Grenzen stoßen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das europäische Forschungsprojekt ASTONISH (Alternate Surveillance Technologies for Innovative Solutions), das seit 2024 im Rahmen von SESAR 3 (Single European Sky ATM Research) und Horizon Europe gefördert wird. Ziel ist es, innovative, skalierbare Alternativen zu klassischen Radar- und Transpondersystemen zu entwickeln, die sich in die europäische Flugsicherungslandschaft integrieren lassen – ökonomisch, effizient und zukunftsgerichtet.
Das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR arbeitet hier gemeinsam mit internationalen Partnern – darunter die italienische Flugsicherung ENAV S.p.A. (Ente Nazionale per l’Assistenza al Volo, Italien), DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Deutschland), Collins Aerospace (Ireland), CIRA (Centro Italiano Ricerche Aerospaziali, Italien), die Universität Neapel Federico II (Italien), und CATEC (Centro Avanzado de Tecnologías Aerospaciales, Spanien) an drei technologischen Säulen: der bodengestützten Überwachung (Ground Based Systems), einer flugzeuggestützten Alternativ-Überwachung (A-SUR) sowie integrierten Sensorsystemen für den Flughafenbetrieb. Dr. Diego Cristallini, Gruppenleiter Passiver Sensorverbund am Fraunhofer FHR und sein Team sind mit der Forschung und Entwicklung des Arbeitspakets der bodengestützten Überwachung betraut.
Passives Radar statt Primärradar – kostengünstig und robust
Die klassischen Primärradare sind teuer in der Anschaffung, aufwendig im Betrieb und befinden sich daher in vielen Ländern in einer Stilllegungsphase. Deshalb setzt ASTONISH auf passive Multistatic-Radarsysteme, die bestehende Signale aus der Umgebung auswerten – etwa solche, die über das neue LDACS-System (L-band Digital Aeronautical Communications System) gesendet werden. Diese ursprünglich für die Luft-Boden-Kommunikation konzipierten Stationen senden LDACS-Signale aus, deren Reflexionen an Flugzeugen durch ein Netzwerk empfangender Stationen erkannt werden können. Der große Vorteil: Es werden keine neuen Frequenzen benötigt, die Signale liegen im geschützten Luftfahrtbereich und die Infrastruktur ist bereits in der Entwicklung.
Cristallini erläutert: „ENAV hat uns Szenarien für die italienische Flughäfen in Perugia und Mailand zur Verfügung gestellt, wo die LDACS basierten Passivradare eingesetzt werden sollen. Wir prüfen jetzt, ob wir diese Bereiche abdecken können. Dank dieser Simulationen erhalten wir einen ersten Eindruck über die Eignung von LDACS als zuverlässige Quelle für passives Radar.“
Der zweite Entwicklungsansatz von ASTONISH ist die flugzeuggestützte alternative Überwachung (A-SUR). Der Hintergrund: ADS-B (Automatic Dependent Surveillance-Broadcast), das derzeit führende System zur Flugverfolgung, stößt durch Spektrumüberlastung im 1090 MHz-Bereich und Störanfälligkeit des GNSS (Global Navigation Satellite System) zunehmend an Grenzen. ASTONISH erforscht daher, wie sich alternative Datenkanäle wie Satcom, LDACS, VDL-M2, 5G und LTE nutzen lassen, um Positionsdaten sicher und standardkonform an Bodenstationen zu übertragen.
Das Systemdesign sieht redundante, verschlüsselte und authentifizierte Datenwege vor, die parallel zu ADS-B betrieben werden können. Dabei ist die Architektur kompatibel mit bestehender ATM-Infrastruktur (Air Traffic Management), lässt sich bedarfsorientiert aktivieren und schafft zusätzliche Redundanz im Fall technischer Störungen oder gezielter Angriffe auf Navigation und Kommunikation.
Beim dritten Lösungsansatz des Projekts geht es um die Sensorik für den Bodenbetrieb, hier werden Erkenntnisse aus dem Automotivbereich genutzt. ASTONISH setzt deshalb auf Sensorfusion aus Kamera-, Radar- und LiDAR-Technologien, um Flugzeugbewegungen beim Rollen, Parken oder in komplexen Flughafenlayouts präzise zu überwachen – selbst bei schlechten Sichtbedingungen. Auch auf den Rollfeldern von Flughäfen wird deutlich, wie wichtig robuste Assistenzsysteme für die agierenden Menschen sind. Die Herausforderung liegt in der Zusammenführung unterschiedlich belastbarer Sensorquellen, die jeweils eigene Stärken haben – von hochauflösender Optik über wetterresistentes Radar bis hin zu präziser 3D-Kartierung mit LiDAR.
Ausblick: Validierung und Integration in den digitalen Luftraum
Bis August 2026 wird ASTONISH mehrere Demonstratoren bis zu den Technologiereifegraden TRL 2 entwickeln. Simulationen in ausgewählten Szenarien sollen zeigen, inwieweit sich etwa das LDACS-basierte Passivradar zur Luftraumüberwachung eignet.
„Wir sind in engem Austausch mit dem DLR, das den LDACS-Standard entwickelt hat“, erklärt Cristallini. „Durch unser Know-how und unseren Ruf im Bereich Passivradar hat ENAV gezielt das Fraunhofer FHR als Partner angesprochen.“
Langfristig soll ASTONISH auch zur Umsetzung des European ATM Master Plans und der „Digital European Sky“-Initiative beitragen. Das Projekt verfolgt ein modernes CNS-Verständnis (Communication, Navigation, Surveillance), das auf Automatisierung, Vernetzung und Resilienz setzt – und das nicht als Notlösung, sondern als robuste Zukunftsarchitektur für das europäische Flugverkehrsmanagement.