GESTRA-Detektionsverfahren bewährt sich im operationellen Betrieb
Mit dem German Experimental Space Surveillance and Tracking Radar (GESTRA) verfügt Deutschland über ein hochmodernes Radarsystem, das einen zentralen Beitrag zur europäischen Space Situational Awareness leistet. Entwickelt am Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR im Auftrag der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR, ermöglicht GESTRA die zuverlässige Erfassung und Verfolgung von Satelliten und Weltraumschrott im erdnahen Orbit. Um möglichst kleine Objekte detektieren zu können, wurde eigens hierfür ein Detektionsverfahren entwickelt, das kohärente und inkohärente Integration kombiniert. Angesichts der stetig wachsenden Anzahl von Satellitenkonstellationen und der Zunahme orbitaler Trümmer stellt GESTRA eine Schlüsseltechnologie für die Sicherheit und Nachhaltigkeit der Raumfahrt dar.
Forschung zwischen Theorie und Praxis
Am Fraunhofer FHR arbeitet ein interdisziplinäres Team kontinuierlich an der Weiterentwicklung des Detektionsverfahrens. Einer der Projektmitarbeiter am Fraunhofer FHR ist Simon Kollecker, der seit drei Jahren im GESTRA-Team des Instituts mitwirkt. Seine Aufgabe liegt an der Schnittstelle zwischen Signalverarbeitung und Softwareentwicklung – mit dem Ziel, komplexe Algorithmen auf das reale Radarsystem zu übertragen und dessen Leistungsfähigkeit im operationellen Betrieb sicherzustellen. Kollecker beschreibt seine Arbeit so: „Unsere Aufgabe ist es, die Signalverarbeitung so zu implementieren, dass die volle Leistungsfähigkeit des Systems genutzt werden kann. Ziel ist es, die Sensitivität von GESTRA durch optimierte Datenverarbeitung zu erhöhen, damit wir möglichst viele Objekte – von Weltraumschrott bis zu operationellen Satelliten – zuverlässig erkennen und deren Bahnen durch das Weltraumlagezentrum bestimmt werden können.“
Radartechnologie als Kern des Verfahrens
GESTRA basiert auf einem Phased-Array-Radar, das Radarpulse aussendet und deren Echos analysiert. Auf diese Weise lassen sich Entfernung, Geschwindigkeit und Flugbahn von Objekten im Orbit bestimmen. Offensichtliche Vorteile gegenüber optischen Teleskopen liegen in der Unabhängigkeit von Tageszeiten und Wetterbedingungen. Dies erlaubt eine kontinuierliche Überwachung des stark frequentierten Low Earth Orbit (LEO), in dem sich sowohl operative Satelliten als auch mit zehntausenden Fragmenten der Großteil des Weltraumschrotts befindet.
Inkohärente und kohärente Integration
Ein zentrales Prinzip der Signalverarbeitung ist die Korrelation des empfangenen Echos mit dem erwarteten Signal. Dadurch können auch schwache Signale kleiner Objekte aus dem Rauschen herausgefiltert werden. Um die Wahrscheinlichkeit einer Detektion zu erhöhen, basiert das Detektionsverfahren des GESTRA-Systems auf einer zweistufigen Signalverarbeitung: Die inkohärente Integration summiert die Signalstärken über mehrere Radarimpulse und erhöht so die Wahrscheinlichkeit, auch schwache Signale zu erfassen. Diese Methode ist recheneffizient, aber das Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) ist begrenzt. Um sehr schwache Ziele dennoch finden zu können, werden hier durch die Wahl einer niedrigen Detektionsschwelle zunächst viele Falschdetektionen in Kauf genommen.
Kohärente Integration berücksichtigt zusätzlich zur Signalstärke die Phaseninformation der Echosignale. Stimmen diese über mehrere Impulse hinweg überein, verstärkt sich das Signal, wodurch echte Objekte zuverlässig von Rauschsignalen getrennt werden können. Dieses Verfahren ist zwar rechenintensiver, verbessert aber das Signal-Rausch-Verhältnis erheblich.
So werden also durch die Kombination beider Verfahren zunächst möglichst viele Signale mit niedriger Schwelle erfasst und anschließend präzise überprüft. Dadurch können auch verhältnismäßig kleine Objekte zuverlässig nachgewiesen und sicher von Störungen unterschieden werden.
Damit diese Verfahren in nahezu Echtzeit angewendet werden können, ist in GESTRA ein GPU-basiertes Hochleistungsrechencluster installiert. 128 Nvidia Tesla P100 GPUs, verteilt auf 16 Knoten, verarbeiten die Daten parallel. Die Ergebnisse werden zu sogenannten Tracklets zusammengefasst und an das DLR im Weltraumlagezentrum übermittelt. Das System zur Signalverarbeitung arbeitet in den letzten Jahren äußerst zuverlässig und hat seine Leistungsfähigkeit sowohl in Testphasen als auch im operationellen Betrieb unter Beweis gestellt.
Europäische Dimension und Unabhängigkeit
GESTRA trägt zum europäischen Weltraumüberwachungsnetzwerk EU SST (EU Space Surveillance and Tracking) bei. Damit unterstützt das System nicht nur die Kollisionsvermeidung und Bahnverfolgung, sondern stärkt auch die europäische Autonomie im Bereich Space Situational Awareness. Ein zentrales Ziel der EU ist es, die eigenen Stärken in der Weltraumüberwachung auszubauen und somit insgesamt unabhängiger und eigenständiger zu werden. Mit GESTRA steht hierfür ein hochmodernes, in Deutschland entwickeltes System zur Verfügung, das in die deutsche und europäische Sicherheitsarchitektur eingebunden ist.
Neben der technischen Herausforderung spielt für die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch die gesellschaftliche Relevanz eine wichtige Rolle, wie Simon Kollecker betont: „Die wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten im Weltraum nehmen stetig zu und gewinnen für unser tägliches Leben weiter an Bedeutung. Mit unserer Forschung am Fraunhofer FHR leisten wir einen Beitrag dazu, diesen Raum nachhaltig und sicher nutzen zu können.“
Das GESTRA-Detektionsverfahren vereint modernste Radartechnik, kohärente Signalverarbeitung und GPU-basiertes Hochleistungsrechnen, es liefert akkurate Daten zur Weltraumlage und arbeitet zuverlässig im Betrieb. Damit leistet GESTRA einen wesentlichen Beitrag zum Schutz von Satelliten, -kritischer Infrastruktur und zukünftigen Raumfahrtmissionen. GESTRA ist damit nicht nur ein Werkzeug der Forschung, sondern ein unverzichtbarer Beitrag zur Sicherheit der Raumfahrt – und letztlich auch unseres Alltags, der heute mehr denn je von Satelliten abhängt.
Die Finanzierung von GESTRA erfolgt durch die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR mit Bundesmitteln unter dem Auftragsnummer 50LZ1401.