Weltraum

GESTRA: Den erdnahen Orbit stets »im Blick«

Um den erdnahen Orbit zu überwachen und zu wissen, welche Objekte sich dort bewegen, ist ein Phased-Array-Radar mit hoher Strahlagilität vonnöten. Ein solches baut das Fraunhofer FHR im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums: Im September 2020 wird das teilmobile Weltraumüberwachungsradar GESTRA an das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) übergeben.

© Fraunhofer FHR / Philipp Wolter
Phased-Array-Antenne des GESTRA-Senders und -Empfängers

Was schwirrt wo im erdnahen Orbit, kurz LEO genannt, herum? Diese Frage ist nicht nur an sich interessant, sondern durchaus relevant für unser alltägliches Leben. Denn im LEO ziehen die Satelliten ihre Bahnen, die uns mit Informationen versorgen – sei es für Navigationssysteme, sei es für kritische Infrastrukturen wie Kommunikation, Börse und Co. Ebenfalls schwirrt dort oben Weltraumschrott in erheblicher Zahl herum: Dieser stellt eine zunehmende Gefahr für die Satelliten dar. Um Operateure von Satelliten rechtzeitig warnen zu können, wenn ein Schrottteil einem Satelliten gefährlich nahe zu kommen droht, erstellt die NASA einen globalen Katalog – den Masterkatalog. In diesem sind die meisten Flugobjekte im LEO verzeichnet. Was die US-amerikanischen Satelliten angeht, so sind sie aus taktischen Gründen jedoch in den Listen meist nicht zu finden. Deutschland möchte sich daher aus dieser Abhängigkeit lösen. Dazu sind zwei verschiedene Radar-Systeme nötig: Eines, das einzelne Weltraumobjekte verfolgt und abbildet – das übernimmt das Weltraumbeobachtungssystem TIRA am Fraunhofer FHR. Und ein weiteres, das die Überwachungsfunktion erfüllt, also die verschiedenen Objekte in einem großen Raumausschnitt aufspürt. Dies kann nur ein Phased-Array-Radar mit hoher Reichweite und Strahlagilität, das es jedoch bislang auf deutscher Seite nicht gab.

Kernkompetenz: Schnelle Raumüberwachung

Das Bundeswirtschaftsministerium beauftragte daher das Fraunhofer FHR, ein solches Phased-Aarray-Radar aufzubauen: Von der Konzeptionierung und der Design-Phase bis hin zum einsatzfähigen System. Das Design sieht ein quasi-monostatisches System vor, das aus separatem Sende- und Empfangssystem besteht. Die Phased Aarray-Antennen sind dabei jeweils auf einem 3-Achsen-Positionierer montiert: So lässt sich zunächst mechanisch der Überwachungsbereich einstellen, und dieser Bereich anschließend elektronisch innerhalb von Millisekunden scannen. Mit den Radarstrahlen wird dabei eine Art Zaun geschaltet, ähnlich wie ein Scheibenwischer: Jedes Objekt, das groß genug ist und den Zaun passiert, wird detektiert. Das Einzigartige an GESTRA: Es ist teilmobil, kann also an beliebigen Stellen aufgestellt werden. Weiterhin kann es die Position von Objekten sehr genau bestimmen.

September 2020: Übergabe an das DLR

Mittlerweile ist das GESTRA-System zu etwa 90% fertig. Es folgen nun die Serienabnahmen der Komponenten aus dem Fraunhofer FHR, insbesondere der Elektronik in den Sende- und Empfangsantennen. Im Mai 2020 soll GESTRA auf die Schmidtenhöhe bei Koblenz verfrachtet und dort mit der vor Ort existierenden Infrastruktur verbunden werden. Dann sollen Systemnachweise für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) folgen, welches das Projektmanagement auf Vertragsseite innehat. Im September 2020 wird GESTRA an das DLR sowie das Weltraumlagezentrum übergeben. Das Weltraumlagezentrum erstellt mit dem neuen Radarsystem einen deutschen Master-Katalog. Besteht näheres Interesse an einem bestimmten Objekt, beauftragt es wiederum das Fraunhofer FHR, dieses Objekt über TIRA zu verfolgen und abzubilden.

Da GESTRA aus dem Weltraumlagezentrum im nordrhein-westfälischen Uedem betrieben werden soll – also aus der Ferne – ist es notwendig, zu jedem Zeitpunkt den »Gesundheitszustand« des Systems überprüfen zu können. Daher hat das 34-köpfige GESTRA-Team über 2000 Sensoren verbaut, die sich per Fernsteuerung monitoren lassen. Geben alle Sensoren »grünes« Licht, lässt sich GESTRA starten. Auch während des Betriebs überwachen die Sensoren die verschiedenen Funktionen.

Langfristig ist eine Vernetzung mehrerer GESTRA-Systeme sinnvoll: Denn stehen die Radare beispielsweise 300 Kilometer auseinander, sehen sie Objekte aus verschiedenen Winkeln. Dies ermöglicht eine deutlich genauere Positionsbestimmung als mit einem einzigen Radar. Die Teilmobilität von GESTRA macht eben dies möglich.